Visionen für
ein besseres Leben
Medien und Kommunikation in der Gesellschaft von morgen
Die Kommunikationswissenschaft ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Das Fach wurde geprägt von den propagandistischen Urkatastrophen dieser Zeit und ist groß geworden mit ihren Medienrevolutionen, von der Etablierung des Massenpublikums über die Einführung des Rundfunks und die mediale Grenzüberschreitung durch Satelliten bis hin zum Internet. Das Fach beobachtete und begleitete die dynamische Entwicklung von Medienangeboten, Publika und Öffentlichkeit(en), erfolgreiche Diplomatie- und Protestkommunikation sowie den beginnenden digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit, mit dem sich nicht nur die politische, sondern auch die Alltagskommunikation der Menschen von Grund auf ändern sollte. Das Ende des 20. Jahrhunderts wurde schließlich begleitet von verheißungsvollen Technikutopien eines digital selbstermächtigten Menschen in der vernetzten Welt.
Heute scheinen diese Imaginationen nahezu naiv: (un)soziale Medien und Propaganda, Populismus und Desinformation beschäftigen die Forschung im Überfluss, Demokratien stehen unter Druck, Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft und Medien-Abhängigkeiten der Einzelnen sind Dauerthemen in Wissenschaft und Öffentlichkeit; dazu Klimawandel, Kriege, Pandemie.
Im Lichte dieser multiplen Krisen ringt die Kommunikationswissenschaft um ihre Rolle in der Gesellschaftsanalyse. Vermessen, beobachten und erklären kann sie diese und weitere Probleme mit ihren Instrumentarien oft gut. Doch was sind ihre Lösungsvorschläge und zugrunde liegende Visionen? Noch stärker gefragt als bisher sind positive Leitbilder, Ideen und Konzepte für Medien, Kommunikation und Gesellschaft. Sie können Orientierung bieten, Ziele vorgeben und damit unsere Forschung leiten, ohne sie lediglich an kurzfristigen Trends auszurichten.
Für Zukunftsvisionen bietet der Leitbegriff des „guten Lebens” Orientierung und vielfältige Anknüpfungspunkte für wissenschaftliche Auseinandersetzung, auch und gerade in der Breite unseres Faches. Unter einem „guten Leben” kann zunächst die Lebensqualität als subjektives Wohlbefinden verstanden werden. Daneben lässt sich Lebensqualität an einer Reihe weiterer, objektiver Dimensionen festmachen, die ein gutes Leben ausmachen: Darunter fallen etwa Gesundheit, Sicherheit, Einkommen und Arbeit, soziale Kontakte, Bildung, Demokratie, Bürger- und Menschenrechte, Wohnen, Kultur oder funktionierende Infrastruktur.
Für die geplante Jahrestagung fragen wir, welche Rolle Kommunikation und Medien für die individuelle, institutionelle und vor allem gesellschaftliche Umsetzung der verschiedenen Vorstellungen und Dimensionen eines guten Lebens spielen können. Welche Visionen von einem besseren Leben mit und ohne Medien haben wir? Wo können Kommunikation und Medien günstige Entwicklungen anstoßen und verstärken? Was sind die Bedingungen und Voraussetzungen für positive, konstruktive und nachhaltige Kommunikation, die Menschen informiert und demokratisch mobilisiert, den Zusammenhalt und das gegenseitige Verständnis innerhalb und zwischen Gesellschaften stärkt, Ungleichheiten ausbalanciert, Wissen vermittelt, Identitätsbildung und Entfaltung von Kindern und Jugendlichen ermöglicht, individuelle wie auch planetare Gesundheit fördert?
Gefragt sind sowohl empirische Evidenzen wie auch Theorieentwicklungen. Dabei will die Tagung dazu ermutigen, interdisziplinäre und internationale Bezüge ernst zu nehmen – denn auch in anderen Fächern und Weltregionen gibt es Gesellschaftsphilosophien und Vorstellungen, in denen Kommunikation und Medien eine zentrale Rolle spielen und deren Anschlussfähigkeit diskutiert werden kann.
Die Tagung soll somit über die Beschreibung der mit Kommunikation und Medien verbundenen Probleme hinausgehen und eine gemeinsame Suche nach Angeboten in der Kommunikationswissenschaft sein, die Gegenwartsanalysen mit Zukunftsvisionen verbinden. Insbesondere laden wir dazu ein, über die Individualebene hinauszudenken und Visionen im Sinne positiver Leitbilder auf der Meso- und Makro-Ebene zu entwickeln und die eigene Forschung in diesem Licht zu interpretieren. Dabei ist es im Sinne der Tagung, nicht nur nach Utopien und Visionen zu suchen, sondern gerade auch ihre Umsetzung zum Gegenstand zu machen und konkrete Beiträge zu einem besseren Leben in den Mittelpunkt zu stellen.
Einreichungen mit Bezug zum Tagungsthema sind selbstverständlich aus allen Bereichen des Fachs und seiner interdisziplinären Schnittstellen willkommen. Themen und Anwendungsbeispiele können unter anderem sein:
- Theoretische Entwürfe und normative Konzepte positiver Visionen für Kommunikation und Medien und ihres Beitrags zu einem guten Leben,
- Untersuchungen von Medienrezeption und -wirkung, insbesondere mit Blick auf gestaltenden Medienumgang,
- Reflexionen des Beitrags konstruktiver, partizipativer oder reziproker Journalismuskonzepte für ein besseres Leben,
- Visionen und Befunde zu Lebensqualität und einem konstruktiven Strukturwandel in der digitalen Kommunikation,
- politische Kommunikationsprozesse zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten und politischer Selbstwirksamkeit,
- Governance und Regulierung von Medien und Kommunikation zur Sicherstellung eines besseren Lebens,
- Perspektiven einer gelingenden Wissenschaftskommunikation,
- Zusammenhänge zwischen Medien- sowie Kultur- und Gesellschaftsordnung, etwa im Bereich gesellschaftlicher Ungleichheitsforschung (z. B. (post-)migrantische, feministische, queere Repräsentation und Partizipation),
- Befunde zur Notwendigkeit neuer Medien- und Kommunikationsethiken für ein besseres Leben,
- Wandlungsdynamiken visueller, digitaler und anderer Kommunikationstechniken,
- Public Relations und Unternehmenskommunikation und ihr Beitrag zu verantwortungsvollem Unternehmenshandeln und gesellschaftlicher Integration,
- kommunikations- und medienhistorische Vergleiche von Visionen des besseren Lebens,
- Konzepte, Ziele und Mittel in den Bereichen (planetarer) Gesundheit und Nachhaltigkeit, Ernährung und Bewegung/Sport,
- Visionen für ein besseres Leben im internationalen Vergleich und Austausch,
- Ansätze zur Zukunft der Mediensozialisation von Kindern und Jugendlichen und ihrer Identitätsentwicklung,
- methodische und forschungsethische Herausforderungen (etwa zur Erhebung von Lebensqualität oder dem Wohlergehen von Untersuchungsteilnehmer:innen).
Allgemeine Vorgaben und Hinweise
Einreichungen und Vorträge sind auf Deutsch und Englisch möglich.
Bitte achten Sie darauf, dass Ihre Einreichung (Ausnahme: offene Formate) keine Hinweise auf die Autor:innen enthält (Anonymisierung).
Eingereicht werden können nur Beiträge, die zum Zeitpunkt der Einreichung (a) noch nicht in schriftlicher Form veröffentlicht wurden und (b) noch nicht bei einer wissenschaftlichen Tagung als Vortrag eingereicht, akzeptiert oder präsentiert wurden, deren Publikum sich mit dem der Jahrestagung maßgeblich überschneidet (insbesondere Fachgruppentagungen). Dass diese beiden Bedingungen erfüllt sind, ist auf dem Deckblatt der Einreichung zu erklären.
Für empirische Beiträge ist zu beachten, dass im Abstract auch Ergebnisse und eine darauf basierende Diskussion enthalten sein soll. Empirische Einreichungen, die lediglich eine Vorschau auf erwartete, aber noch nicht vorliegende Befunde enthalten (Work-in-Progress), werden nicht in den Begutachtungsprozess einbezogen. Die Organisator:innen der Tagung behalten es sich vor, eingereichte Beiträge in andere Präsentationsformen jenseits des klassischen Vortragsformats einzuladen.
Kriterien für die Begutachtung:
- theoretische Fundierung
- Relevanz der Fragestellung
- Angemessenheit der Methode/Vorgehensweise
- Klarheit/Prägnanz der Darstellung
- Neuigkeitswert/Originalität
Einreichungsfristen
- Ab dem 15. Juli 2023 können Einzelbeiträge und Panels über das Abstract Management System Conference Tool Pro unter https://www.conftool.pro/dgpuk2024/ eingereicht werden.
- Am 01. September 2023 endet die Frist zur Einreichung von Abstracts für Einzelbeiträge und Panels.
- Bis zum 15. Dezember 2023 werden die Entscheidungen zur Annahme oder Ablehnung der Einreichungen individuell mitgeteilt.
Einreichungsformate
Extended Abstracts zum Tagungsthema
Vorgaben: 4.000 – 6.000 Zeichen
Es können Extended Abstracts für Vorträge zum Tagungsthema eingereicht werden.
Panelvorschläge zum Tagungsthema
Vorgaben: 3.000 – 4.000 Zeichen
Es besteht die Möglichkeit, komplette Panels einzureichen, um größere Projekte oder Forschungszusammenhänge mit einem Bezug zum Tagungsthema vorzustellen.
Abstracts für
offene Panels
Vorgaben: 4.000 – 6.000 Zeichen
Hierbei können Forschungsarbeiten vorgestellt werden, die sich nicht unmittelbar in das Tagungsthema einordnen lassen.
Die Vorgaben zum Umfang der Einreichungen sind immer inklusive Leerzeichen, Literatur, Tabellen und Abbildungen zu verstehen. Weitere Informationen können Sie dem Call for Papers entnehmen. Die Einreichung der verschiedenen Formate wird ab dem 15.07.2023 über folgenden Link möglich sein:
Offene Formate zum Tagungsthema
Vorgaben: 3.000 – 4.000 Zeichen
Auch auf der Jahrestagung in Erfurt wollen wir die Möglichkeit für andere Formate als den klassischen Vortrag bieten. Dazu zählen etwa Workshops, Diskussionsrunden (z. B. Fishbowl), Panels mit Medienpraktiker:innen oder andere Ideen. Einreichungen für offene Formate sollen eine inhaltliche Beschreibung des geplanten Formats enthalten sowie dessen geplanten Ablauf kurz skizzieren. Die Beiträge sollen nicht-anonymisiert eingereicht werden. Für die offenen Formate wird ein eigenes Review-Verfahren durchgeführt. Abschließende Entscheidungen über eine Annahme werden vom Organisationsteam auch auf Basis der Passung zum restlichen Programm getroffen. Einreichungen werden über info@dgpuk2024.de erbeten.